Ich freue mich, dass dieser fraktionsübergreifende Antrag heute auf den Tisch gekommen ist. Klar war, dass dies ein sehr emotionales Thema werden wird. Parkplatz-Debatten bieten immer Sprengkraft. Eigentlich war die Sicherheit in diesem Areal der Auslöser. Jeder, der an der beschriebenen Stelle ohne Auto und mit offenen Augen und Ohren unterwegs ist, weiß was ich meine. Und hierfür stehen alle Argumente im Antrag, die brauche ich nicht zu wiederholen.
Ich möchte nochmal betonen: es geht hier um 20 Parkplätze von 63. Weitere 47 sind am Parkdeck Zwingermühle – unangetastet. Weitere 270 sind im Parkhaus Dr.-Sieber-Halle – vor einigen Monaten neu hinzugekommen. Man könnte auch einfach platt sagen, es macht Sinn, dass dieses Parkhaus für 6 Mio. Euro jetzt auch so langsam mal seine Berechtigung bekommen sollte. Aber so einfach möchten wir es uns nicht machen.
Was ist also die Grundlage unserer Debatte? Geht es tatsächlich nur um diese 20 Parkplätze? Uns scheint, es geht hier um deutlich mehr. Deshalb möchte ich mein Statement auch genau auf das „deutlich mehr“ ausrichten. Es geht um die Sorge, was mit unserer Innenstadt passiert. Und das ist natürlich verständlich. Viele Existenzen hängen davon ab.
Aber: Eine drastische Veränderung der Innenstädte passiert schon, und zwar schon sehr lange. Stück für Stück machen seit vielen Jahren einzelne Läden zu – auch viele hochwertige. Wegen zu hoher Mieten, wegen zu wenig Umsatz und Gewinn … aus vielen Gründen.Die Gründe kennen Sie alle genauso gut wie wir. Auch die angestoßene – und notwendige – Nachhaltigkeitsdebatte trägt dazu bei, dass man sein Einkaufsverhalten zukünftig noch mehr hinterfragen wird.
Im RNZ-Bericht stand so schön „In Zeiten, in denen der Einzelhandel mit Amazon konkurriert, muss man bis vor die Ladentür fahren können…“. Wie können wir also so verrückt sein und gerade jetztin dieser dramatischen Corona-Situation, wo doch der ganze Handel, die Gastronomie, die Kultur so übel dran sind … wie können wir in dieser Zeit einen solchen Antrag stellen?
Und wir sagen: Ja, genau jetzt. Und genau deshalb. Denn diese Veränderung wird sowieso passieren – weitergehen. D.h. wir können dabei zusehen, wie die Innenstädte veröden oder wir können die Ärmel hochkrempeln und diesen Wandel aktiv mitgestalten. D.h. wir müssen genau jetzt durchblicken lassen, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und gestalten wollen! Ich kann Ihnen versichern, wir alle haben das gleiche Ziel.
- Dass unsere Innenstädte lebendig und attraktiv bleiben bzw. es wieder mehr werden.
- Dass Sinsheimer und Auswärtige sich bei uns wohlfühlen, dass sie Geld dalassen.
- Dass alle, die in der Innenstadt ihr Geld verdienen, gut damit klarkommen.
Wie ist also der Weg dahin? Wir brauchen es erst gar nicht versuchen, mit Amazon & Co. auf herkömmlichem Weg zu konkurrieren … alles sofort verfügbar, alles frei Haus. Wir werden die Zeit nicht anhalten oder gar zurückdrehen können. Auch nicht mit noch so vielen Parkplätzen direkt vor der Ladentür.
Uns bleibt nur eins und das ist unsere Chance: Wir müssen unsere Stärken ausspielen, die wir als Innenstadt haben und haben KÖNNEN! Wir müssen aktiv daran arbeiten, unsere Innenstädte fit für die Zukunft zu machen. Das sind keine grünen Spinnereien, sondern das wird überall von Experten beworben, die es wissen MÜSSEN! Suchen Sie im Internet mal nach „Zukünftige Innenstädte“. Vielleicht ist hier und da von einem Parkleitsystem die Rede. Aber ansonsten geht es um komplett andere Parameter: Lebenswert, ansprechend, begrünt, verkehrsberuhigt, alles vernetzt, toller Mix des Angebots, Regionalität, handgemacht, Plätze zum Verweilen und Begegnen, Kulturangebot, Kunstangebot usw. Wo man sich wohlfühlt, dort gibt man auch Geld aus.
Einer von denen, die es wissen müssen, ist der Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Dies ist ein Auszug aus einem Interview mit ihm über Innenstadt-Entwicklung – ganz aktuell vom 09.02.2021: „Mehrwert bieten, den es online nicht gibt“: Deutscher Städtetag (staedtetag.de)
„…Was den Trend zum Onlinehandel angeht, sehe ich auch unabhängig von der Coronakrise auf die Städte große Transformationsaufgaben zukommen. Die Veränderungen im Kaufverhalten werden sich kaum zurückdrehen lassen und sich eher noch verstärken“, sagt er. „Unsere Innenstädte werden und müssen sich verändern. Darin liegt allerdings eine Chance, sich stärker lokal und regional zu profilieren. Regional und nachhaltig produzierte Güter werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen…“
„…Gleiches gilt für neue Innenstadtkonzepte, die urbane Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten müssen. Die Städte wollen in ihren Zentren einen Mehrwert bieten, etwas, was es online nicht gibt“, erklärt Dedy. „Wer in die Innenstadt kommt, möchte anderen begegnen, mit anderen kommunizieren und etwas Besonderes erleben…“
Wir möchten nicht, dass unsere Stadt zu den Schlusslichtern gehört, die hier aufwacht! Wir möchten nicht, dass man weiterhin ein 80er-Jahre-Bild im Kopf hat, wenn man an Innenstadt denkt. Denn diese Zeit wird nicht zurückkommen, so sehr es sich manche auch wünschen. Und das ist auch gut so. “Autogerechte Stadt“ ist Denken von gestern.
Unsere Fraktion setzt sich dafür ein, zusammen darüber nachzudenken, was unsere Innenstadt zukünftig ausmachen wird und ausmachen soll. Wir brauchen ein Ideen-Programm und Initiativen wie wir Menschen und Akteure in unsere Stadt locken können. Und danach sollten wir zukünftige Entscheidungen ausrichten.
Der Antrag ist mit großer Mehrheit mit JA abgestimmt worden. Das stimmt uns freudig! Er ist nur ein Mini-Schritt und eigentlich aus einer ganz anderen Intention heraus geboren worden. Er war ursprünglich gedacht für mehr Sicherheit, mehr Radstellplätze, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Begegnung. Aber vielleicht ist er jetzt auch der Anfang für eine neue gemeinsame Kreativität. Denn jetzt beginnt unsere Ideensammlung für die Gestaltung dieses Stückchens freiwerdenden Karlsplatzes. Wir antragstellenden Gemeinderäte aus 4 Fraktionen tun uns zusammen und suchen nach kostengünstigen und ideenreichen Vorschlägen. Ist das nicht ein Lichtblick während momentan eher viele von Spaltung reden? Ich finde JA! Danke an alle, die dem Antrag zugestimmt haben!
Anja Fürstenberger
(für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat)
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