Die Grünen im Gemeinderat Sinsheim,
HAUSHALTSREDE 2011 Entwurf,
es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Geinert,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Keßler,
sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger!
Ich möchte nicht zum fünften Mal alle Zahlen und Details wiederholen, sondern kurz und knapp meine Ansicht und Resümee zum Entwurf der Haushaltssatzung 2011 darlegen. Ich fasse mich als letzter Redner also kurz und hoffe dadurch auf erhöhte Aufmerksamkeit.
Der Haushalt wurde im Gremium teils sehr heftig kritisiert und diskutiert. Es wurde im Frühjahr ein Ausschuss zur Haushaltskonsolidierung gebildet, in dem wir Grüne mangels Fraktionsstatus trotz entsprechenden Vorschlags der Verwaltung leider keinen Sitz bekommen hatten. Ebenso hat die Presse zum Haushalt bereits kritisch berichtet und sich Bürgerinnen und Bürger mittels Leserbriefen eingemischt. Richtig ist natürlich, dass man in keine finanzielle Schieflage gerät, wenn die Ausgaben die Einnahmen niemals übersteigen. Doch dies ist Theorie und für eine Kommune in der Praxis nicht umsetzbar. Letztendlich auch aufgrund der Tatsachen, dass man die Einnahmen lediglich grob schätzen kann und von übergeordneter Stelle unerwartete Aufgaben übernommen und finanziert werden müssen.
Man muss aber auch ganz deutlich sagen, dass wir an der Finanzlage nicht ganz unschuldig sind, der Gemeinderat hat schließlich die Entscheidungen für die Ausgaben zumindest mehrheitlich mitgetragen. Wirtschaftskrise hin oder her, man kann dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg entnehmen, dass der Schuldenstand auch ohne Wirtschaftskrise kontinuierlich anstieg. Es entsteht damit der Eindruck, dass man irgendwie und irgendwann den Überblick oder das Gespür und das Gefühl zur Schuldenentwicklung verloren hat.
Meine Damen und Herren, ein paar Zahlen der letzten 10 Jahre:
- Die Schulden stiegen von 5,09 Mio EUR im Jahr 1999 auf 14,08 Mio EUR im Jahr 2009 im Kernhaushalt, das entspricht dem Anstieg der Pro-Kopfverschuldung von 151 EUR auf 396 EUR.
- Bei den Eigenbetrieben stieg der Schuldenstand im selben Zeitraum von 6,22 Mio EUR auf 53,27 Mio EUR, also einer Zunahme der Pro-Kopfverschuldung von 184 EUR auf 1499 EUR.
- Der Gesamtschuldenstand, also Kernhaushalt plus Eigenbetriebe, stieg somit von 11,31 Mio EUR im Jahr 1999 auf 67,35 Mio EUR bereits 2009. Die Pro-Kopfverschuldung stieg dabei von 336 EUR auf 1895 EUR.
Also ein Anstieg um 56,04 Mio EUR im Gesamthaushalt und ein Anstieg um 1.559 EUR bei der Pro-Kopfverschuldung!
Dies war für mich neben einem – zumindest für mich – nicht erkennbarem Gesamtkonzept der Hauptgrund, bereits der Haushaltssatzung für das Jahr 2010 nicht zuzustimmen. Alle Anwesenden hier im Raum wissen, dass sich die Situation seitdem keinesfalls entspannt hat. Ganz im Gegenteil, die Situation halte ich für dramatisch. Wir haben zwei große Stellschrauben zur Haushaltskonsolidierung: Einnahmen erhöhen und Ausgaben senken.
An der Einnahmenerhöhung wurde während des gesamten Jahres gearbeitet und auch wir Grüne waren zu großen Eingeständnissen bereit, selbst bei Punkten, die uns richtig weh tun und eigentlich unseren Idealen widersprechen. Hier haben wir unsere Ideale hinter die Verantwortung zur Haushaltslage gestellt.
Man hat die Eintrittspreise der Bäder erhöht, Musikschul- und Kindergartengebühren angepasst, Bestattungen wurden teurer, die Hundehaltung kostet die Bürgerinnen und Bürger mehr, die Hebesätze zur Grundsteuer A und B sowie Gewerbesteuer wurden angepasst… um konkrete Beispiele zu nennen.
Auf der Ausgabenseite wurde ebenfalls eingegriffen. Der Stadtverwaltung wurden einige Positionen gestrichen, die Schulen müssen weiterhin massiv einsparen, mehrere Bauprojekte, Sanierungs- und Renovierungsarbeiten wurden gestoppt oder sind zumindest in ferne und damit ungewisse Zukunft gerückt.
Einige Projekte bedürfen natürlich immer einer größeren Investition. Diese Investitionen lassen sich nicht aus der Portokasse finanzieren, sondern müssen über Jahre mit teils hohen Kreditaufnahmen finanziert werden. Neben Zins und Tilgung entstehen oftmals weitere Unterhaltungskosten und Folgekosten, diese belasten üblicherweise die Haushalte der kommenden Jahre zusätzlich.
Im Nachhinein muss natürlich offen darüber nachgedacht werden, ob alle Projekte der jüngeren Vergangenheit bezüglich ihrer Auswirkungen zum Wohle der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger waren. Bei neu anstehenden Projekten muss also entsprechend agiert und kritischer entschieden werden.
Grundsätzlich kann man am Flächenverbrauch immense Summen einsparen. Nicht nur Grundstückserwerb, auch die Erschließung verschlingt Unsummen und die Stadt gerät mit dem Verkauf der Flächen unter enormen Druck, um wenigstens einen Teil dieser Ausgaben möglichst schnell wieder in die Stadtkasse zu spülen. Inzwischen werden sogar die Kraichgauhügel umgestaltet, um neue Gebiete auszuweisen obwohl Brachflächen in beträchtlicher Größe und Anzahl für Wohn- und Gewerbebebauung vorliegen. Vorrang muss immer die Aktivierung bestehender und erschlossener Flächen und die innerörtliche Nachverdichtung haben!
Die verbrauchte Fläche pro Einwohner ist stetig gestiegen, obwohl alle Fraktionen immer wieder den demografischen Wandel zitieren, ein konsequentes Handeln danach vermisse ich. Immer mehr Flächenverbrauch bei zurzeit noch relativ stabilen Einwohnerzahlen sind ein warnendes Zeichen: Die Herausforderung der Zukunft ist eben nicht, immer mehr Raum und immer mehr Angebote für eine wachsende Bevölkerung und Wirtschaft zu schaffen. Die große Herausforderung wird sein: Wie halten wir bei sinkenden Einwohnerzahlen und bei sinkenden Steuereinnahmen einen möglichst hohen Anteil unseres jetzigen Standards?
Eine Möglichkeit wäre, die Bürgerinnen und Bürger mehr zu beteiligen und damit auch ein Stück weit Verantwortung und Kompetenzen abzutreten, damit würde das Ehrenamt wieder attraktiver und auch mehr Anerkennung finden. Gesellschaftliche Akzeptanz ist eine wichtige Motivation, eine starke Bürgerbeteiligung schafft ein lebendiges und lebenswertes Umfeld und trägt zur Attraktivierung unserer Gemeinde bei. Den Anfang haben unsere Bürgerinnen und Bürger schon lange gemacht: traditionell natürlich durch Vereinsarbeit und später die Lokale Agenda 21 – aber auch durch Bürgerinitiativen. Selbst wenn heute noch nicht absehbar ist, wie sich die Situation mit Krematorium und Wellnessbad entwickelt, so hat die Öffentlichkeitsbeteiligung doch sehr viel Positives bewirkt: Beim Krematorium wurde die geplante Anlagentechnik verbessert, beim Wellnessbad wurden die Verträge besser verhandelt. Man sollte also endlich damit aufhören, immer wieder auf die Bürgerinnen und Bürger zu schimpfen, sondern das gezeigte Engagement für eine aktive Bürgerbeteiligung in vielfältigen Bereichen zur Revitalisierung der Stadt aber auch zur Kosteneinsparung zu nutzen.
Meine Damen und Herren, die Stadtwerke finden sich in einer tragischen Rolle wieder. Viele defizitäre Aufgaben summieren sich und tragen zum wachsenden Schuldenberg bei. Hier sehe ich mittelfristig keine Möglichkeit, die Schulden nennenswert zu reduzieren. Letztendlich kann ich dem wachsenden Schuldenberg im Kernhaushalt und den Stadtwerken nicht zustimmen und hoffen, dass die Mehrheit des Gremiums ebenso denkt und entsprechend abstimmt, damit die Möglichkeit geschaffen wird, noch mehrmals eingehend zu beraten und zu diskutieren und dann eine vielleicht erträgliche und auch für mich tragfähige und mehrheitsfähige Lösung für das Jahr 2011 zu finden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Stefan Seitz
Stadtrat Bündnis 90/Die Grünen
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