Haushaltsrede für das Jahr 2021

Wer die Rede lieber hört als liest findest sie hier

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Albrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Meine Vorredner haben die Zahlen und Fakten ja schon ausführlich dargelegt, was unsere HH-Lage, unsere Defizite, und auch die Probleme durch Corona betrifft.
Allerdings war unsere Haushaltslage auch schon vor Corona nicht die Beste.

Eine Stadt unserer Größe, mit so vielen Stadtteilen und deren Infrastruktur benötigt viel Geld, deshalb stehen wir schon viele Jahre unter der Beobachtung der Kommunalaufsicht.

Aber es wurde mit dem Geld auch sehr viel erreicht, vieles für die Zukunft geschaffen, und wir sollten unbedingt mit Freude auf das schauen, was wir in Sinsheim möglich machen konnten. Alleine schon unsere wunderschöne Dr.Sieber-Halle ist ein Schmuckstück, auf das wir stolz sein können. In den letzten Wochen wurde sie fast zu unserem zweiten Wohnzimmer.

Unsere gesamte Stadtspitze hat in den letzten Jahren auf Hochtouren gearbeitet und viele gute Dinge vorangebracht.

Jetzt ist die Zeit, diese Maßnahmen zu Ende zu bringen und in Ruhe zu schauen, was wirklich wesentlich ist.

Ich möchte deshalb darauf verzichten, nochmal auf die Dinge einzugehen, die nicht gehen, die gestrichen werden mussten. Lieber möchte ich mich zunächst den Notwendigkeiten, und danach aber auch den Möglichkeiten zuwenden, die es trotz allem noch gibt:

Eine absolute Notwendigkeit ist der immer drängendere und unverzichtbare Klimaschutz.
Was das mit unserem Haushalt zu tun hat? Schauen wir uns doch die Haushalte der letzten Jahre an! Große Summen sind in erste massive Folgen des Klimawandels geflossen.
Einige Beispiele:

· Unser Wald ist in großer Gefahr. Früher gewinnbringend, ist er jetzt defizitär, unzählige Bäume mussten in Folge der Trockenheit gefällt werden. Finanzbedarf alleine dieses Jahr: fast 300 000€

· Die bisherige Wasserversorgung reicht nicht mehr aus, da unsere eigenen Quellen immer weniger Wasser liefern. Der Bezug von Bodenseewasser musste gesteigert werden, eine Neustrukturierung des Trinkwasserversorgungskonzepts war nötig. Kosten 2020: 2.1 Millionen. Die Bewässerung von Pflanzbeeten und Sportplätzen wird zunehmend aufwendiger, immer mehr Stadtbäume sind abgängig.

Auch Hochwasserschutz und Starkregenmanagement kosten uns viele Millionen, Jahr für Jahr mehr.
Und das sind nur die aller offensichtlichsten Folgen

Was uns diese Liste zeigen soll:
Jeder Cent, der in den Klimaschutz investiert wird, lohnt sich unterm Strich für uns alle.

Wir werden sonst bald ausschließlich Getriebene sein, im Kampf um die Begrenzung der Folgen des Klimawandels. Eine Impfung wird es dagegen nicht geben.

Jetzt sind wir noch halbwegs in der Lage, vorausschauend zu planen. Wir als Kommune sind nicht nur ein kleiner Teil, der sowieso nichts ausrichten kann. Wir als Kommune sind Teil des Ganzen. Und nur wir alle zusammen können diese Krise bewältigen!

Über jedes strengere Gesetz beim Klimaschutz sollten wir uns deshalb freuen, und nicht darüber jammern, dass Kreis und Land Druck machen. Strengere Klimaschutzgesetze schaffen die Sicherheit, dass alle in diesen Schutz investieren. Damit wird Gerechtigkeit erreicht und die Wirksamkeit erhöht.

Von herausragender Bedeutung ist dabei die beschlossene Einstellung eines Klimaschutzmanagers, einer –managerin.

Mit dieser Stelle wird dem Thema in unserer Kommune endlich die nötige Wichtigkeit gegeben! Der Klimaschutz darf kein Nischenthema einzelner Ressorts sein, sondern muss sich durch alle unsere Handlungsfelder ziehen. Schade nur, dass durch das lange Zögern wieder ein ganzes Jahr verschenkt wurde.

Unverständlich ist uns auch, dass in einer Stadt, in der sonst so vieles über Konzepte geregelt wird, ausgerechnet beim Klimaschutz dafür keine Notwendigkeit gesehen wird.

Wer das alles bezahlen soll? Bis mindestens Ende 2021 werden Klimaschutzmanagement und die Erstellung eines Klimaschutzkonzepts mit bis zu 100 Prozent gefördert. Diese Förderung sollte sich doch unsere Kommune nicht entgehen lassen!

Zumal wir mit solchen Maßnahmen anschließend gezielt Kosten einsparen, und weitere Fördermittel einwerben, die unseren kommunalen Haushalt entlasten.
Und oft übersehen wird: Der Klimaschutz lohnt sich auch an anderen Stellen:

Er ist Wertschöpfung in der eigenen Region. Investitionen in den Klimaschutz – von unserer Kommune selbst oder von Dritten –bringen Umsätze, an denen eine Vielzahl lokaler Wirtschaftsakteure beteiligt sein können.

Dies führt zu Unternehmensgewinnen, Einkommen, zu Arbeitsplatzerhalt , und damit zu Steuereinnahmen für die Kommune.

Und: Stellen sie sich vor, wir könnten die enormen Summen, die für unsere Energieversorgung über Öl und Gas ins Ausland fließen, hier bei uns halten, indem wir die Energie hier erneuerbar erzeugen! Es gibt Landkreise, in denen das schon gelungen ist, weil alle an einem Strang ziehen.

Schon die Öffentlichkeitsarbeit und Beratung zu Klimaschutzmaßnahmen kann lokale Wertschöpfungseffekte bewirken. Hier kommt der kreiseigenen Kliba eine wichtige Rolle zu, sie kann von uns gar nicht genug beworben werden, im Moment wäre dafür auch in unserem Stadtanzeiger jede Woche genug Platz.

Jeder Cent, den wir vom wenigen Geld, das zur Verfügung steht, investieren, sollte auf jeden Fall intensiv auf regionale Wertschöpfung und Klimafreundlichkeit geprüft werden. Das fängt schon bei den Ausschreibungen an.

Der zweite Bereich, der eine Notwendigkeit bleibt sind natürlich die Ausgaben im sozialen Bereich, bei unseren Schulen und Kindergärten. Die Sanierung der Realschule sollten wir fest im Blick behalten. Und an Sozialausgaben wie der Schulsozialarbeit muss mindestens festgehalten werden. Wir hätten uns gewünscht, dass für das Jugendhaus eine weitere halbe Stelle finanziert wird. Gerade jetzt, mit den Pandemieeinschränkungen ist auch für viele Jugendliche eine besonders schwere Zeit. Leider wurden wir hier überstimmt, die Einstellung wurde abgelehnt.

Eine Finanzierung dieser Leistungen wird leichter, wenn wir endlich aufhören, von riesigen Verkehrsprojekten zu träumen wie der Nordanbindung, am Berufsschulzentrum vorbei, oder der Osttangente, durchs vordere Wiesental. Schon alleine die Planungen für diese Projekte verschlingen viel Geld, wir meinen, sie sind nicht zukunftsfähig. Unsere Verkehrsprobleme müssen wir anders in den Griff bekommen.

Kommen wir jetzt zu den Möglichkeiten, die unsere Stadt trotz klammer Kassen noch hat. Hierzu möchte ich zwei größere Beispiele nennen:

Erstes Beispiel ist unsere Innenstadt. Der Einzelhandel ist, durch den Onlinehandel und jetzt noch durch Corona, vielfältig gebeutelt. Aber: mit der Schnelligkeit eines „Kaufen“-Clicks kann auch der naheliegendste Parkplatz nicht konkurrieren!

Was können wir da tun?

Wir müssen fördern, was eine Innenstadt dem Online-Shopping voraus hat. Wer in unsere Innenstadt shoppen geht tut das nicht wegen der großen Auswahl, sondern weil er sich dort wohlfühlt. Wir brauchen mehr Aufenthaltsqualität, die zum Verweilen einlädt. Einkaufen, Kaffee trinken, Menschen treffen , Kultur erleben– diese Punkte zusammengedacht in einer verkehrsberuhigten, lärmarmen und begrünten Innenstadt. Das kann kein Online-Shopping bieten. Und das muss unser Ziel sein.

Aber wie erreichen wir das?

Mit dem hohen Parksuchverkehr, der unser Zentrum unattraktiv macht, muss Schluss gemacht werden. Rund um den Kirchplatz und vor allem am Karlsplatz herrscht viel zu oft Chaos. Für Fußgänger und Radfahrer entstehen gefährliche Situationen, vor allem Kinder und Senioren sind schnell überfordert. Von einer entspannten Aufenthalts- und Einkaufs-Atmosphäre sind wir hier meilenweit entfernt.

Dem wäre schnell und kostengünstig abzuhelfen mit einer Umwidmung verschiedener Innenstadtparkplätze. Kleinere Parkplätze im Kernstadtbereich, wie der am Kirchplatz, sollten in naher Zukunft nur noch den Anwohnern zur Verfügung stehen.

Für den Karlsplatz haben wir ja bereits den fraktionsübergreifenden Antrag gestellt, den vordersten Teil beim Spielplatz zu sperren, dort nur noch Parkplätze für Menschen mit Behinderung und Fahrradparkplätze auszuweisen. Zudem wünschen wir uns dort schöne
Hochbeete. Damit bleibt man flexibel, denn sie sind jederzeit umsetzbar.

Wir hoffen sehr, auch die CDU von diesem Konzept überzeugen zu können.

Des Weiteren setzen wir in die gerade gestartete Radverkehrskonzeption für die erweiterte Kernstadt große Hoffnungen. Wir freuen uns sehr, dass dieses Ziel trotz der schwierigen Zeiten weiterverfolgt wird. Ein kluges Radverkehrsnetz, das wichtige Punkte einer Stadt wie Wohn- und Arbeitsstätten, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Sportzentren schnell, sicher und bequem verbindet, ist ein wichtiger Schritt für die Attraktivität einer Stadt und für den Klimaschutz.

Auch wenn momentan kein Geld dafür da ist freuen wir uns über die Ausweisung des „Sanierungsgebiet West“ für die Kernstadt, das die Innenstadtentwicklung nachhaltig unterstützen wird. Wir plädieren dafür, den Antrag auf Förderung so schnell wie möglich zu stellen. Damit setzen wir ein Zeichen der Zuversicht für einen baldigen Aufschwung und eine Weiterentwicklung. Das Vorantreiben der Innenstadtsanierung, auch im privaten Bereich, schafft Arbeitsplätze und Wohnraum. Menschen, die im Zentrum wohnen kaufen auch dort ein. Und sorgen auch sonst für eine lebendige Innenstadt.

Zudem kommt der Sanierung von Altgebäuden und der Schließung von Baulücken im Innenbereich eine bedeutende Rolle bei der Reduzierung des Flächenverbrauchs zu! Und die energetische Sanierung dient dem Klimaschutz. Ganz wichtig ist uns auch der Erhalt der restlichen historischen Bausubstanz, wo immer es möglich ist, auch ohne Denkmalschutz.

Schon jetzt müssen wir in der Bevölkerung ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig der sparsame Umgang mit Flächen und die Innenentwicklung ist, auch hier wäre u.a. wiederholte Informationen im Stadtanzeiger gut. Geplant werden sollten dann zahlreiche gezielte Aktionen wie Ortsrundgänge, Gesprächsrunden, Workshops, eine gute Projekthomepage, aber auch die Direktansprache von Eigentümer*innen. , um für einen erfolgreichen Fortgang der Innenstadtentwicklung zu sorgen.

Zu prüfen wäre auch die Fortentwicklung stadteigener Möglichkeiten zum Wohnungsbau, beispielsweise durch Aufstockungen, Überbauung von Parkplätzen und Brachflächen, als Konzeptvergabe oder mit einer Baugenossenschaft.

Auch ein Problem der Innenstadt sind die hohen Mieten für Ladengeschäfte. Nicht zu ändern? Vielleicht könnte die Stadtverwaltung hier eine beratende und vermittelnde Rolle einnehmen. Hilfreich wären frequenz- und umsatzabhängige Mietverträge. Schließlich sind diese für die Eigentümer allemal lukrativer als langfristige Leerstände.

Klar ist uns sicher allen: das Gesicht der Innenstadt wird und muss sich verändern. Sie muss noch nutzungsgemischter werden, und das ist auch gut so. Wohnung, Bildung, Einkauf, Gastronomie und Kultur müssen in ausgewogenem Verhältnis stehen.

Auf einem guten Weg sind wir hier mit der Quartiersentwicklung „Drei König“, die ja durch die Sanierung von Grundbuchamt und Stadtmuseum irgendwann fortgesetzt wird. Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang ein Bürgerzentrum oder Mehrgenerationenhaus, das auch für die Belebung der Innenstadt sorgen würde. Eine Einbeziehung der Sinsheimer Bevölkerung ist bei diesem Thema unerlässlich.

Kommen wir zum zweiten Bereich der Möglichkeiten, den ich vorstellen möchte:
Zum geplanten großen Neubaugebiet „Michelsbild II“.

· Wir Grünen stehen Neubaugebieten bekanntermaßen sehr zurückhaltend gegenüber. Aber wenn sie ausgewiesen werden, dann bitte so, dass Sinsheim sich als moderne und ideenreiche Stadt beweisen kann! Lassen Sie uns Michelsbild II gemeinsam zu einem Innovationsprojekt machen! Bei einem Neubaugebiet dieser Größe ist so viel möglich:

Einige Beispiele:

Wichtig ist ein gutes Mobilitätskonzept: wir müssen breite Fußwege ohne Umwege einplanen, das Neubaugebiet von Anfang an in das Radverkehrskonzept aufnehmen und effektive bauliche Maßnahmen zur Lenkung der Verkehrsströme vorsehen. Ein eng getakteter Anschluss an das Stadtbusnetz sollte selbstverständlich sein. Denkbar wäre auch eine E-Bike- Vermietung oder E-Car-Sharing, unsere Bürgerenergiegenossenschaft unterstützt da gerne.

· Den Heizanlagen muss unser besonderes Augenmerk gelten. Fördern wir eine innovative zentrale Energieversorgung, wie z.B. ein Nahwärmenetz oder auch die auch die komplette Anbindung an das Fernwärmenetz der AVR.

· Die Einwohnerdichte ist im Hinblick auf eine umweltfreundliche Siedlung von besonderer Bedeutung. Neben Geschosswohnungsbau können bei geschickter Planung auch mit Einfamilienhäusern mit Gartenland hohe Einwohnerdichten erreicht werden, ohne Komfort einzubüßen. Das reduziert langfristig den Flächenverbrauch. Und: Je mehr Einwohner dort leben, umso mehr Nutzer werden umweltfreundliche Mobilität wirtschaftlich machen.

Noch viele andere Faktoren können bei der Planung der Neubausiedlung berücksichtigt werden, wir können:

· …im Geschosswohnungsbau einen Mietpreisdeckel festlegen
· …bei den Einfamilienhäusern eine kompakte zweigeschossig Wohnbebauung vorschreiben
· …die winterliche Fassadenbesonnung durch entsprechende Anordnung der Baufenster sichern,
· …eine Gestaltungssatzung erlassen, die Bauprodukte mit günstiger Ökobilanz fördern
· …und nicht zuletzt müssen wir eine gute Vorsorge gegenüber den Folgen des Klimawandels treffen, also für Hochwasserschutz, Kaltluftschneisen und Durchgrünung sorgen.

Sicherlich hat unsere Stadtplanung dazu noch viele andere gute Ideen, und darauf freuen wir uns.

Zum Schluss möchte ich noch ein Plädoyer für die Beteiligung unserer Bevölkerung halten. Dort schlummern viele gute Ideen. Deshalb wünschen wir uns die Einrichtung eines losbasierten Bürgerrats, der einen gesellschaftlichen Querschnitt der Bevölkerung Sinsheims
darstellt.

In verschiedenen Workshops könnten Ideen gesammelt werden, z.B. zur kostengünstigen Verschönerung der Innenstadt. Vor gut 20 Jahren hat sich Sinsheim mit der damaligen Zukunftskonferenz schon einmal erfolgreich auf so einen Weg gemacht.

Wenn geplante Projekte nur noch in Teilen finanziert werden können, wie die Realschule oder der Schulhof in Steinsfurt, sollte man sich ausführlich mit den Betroffenen beraten, damit diese Prioritäten angeben können. Ein solches Vorgehen erhöht die Akzeptanz der Streichungen und die Identifikation mit den verbleibenden Projekten. Die Bevölkerung muss spüren, dass man sie mitnehmen möchte und ernst nimmt.

Dann haben wir gute Chancen, dass uns auch mit den leeren Kassen ein gutes Miteinander gelingen wird.

So wie es uns auch im Gemeinderat und in der Zusammenarbeit mit der Verwaltung gelungen ist. Dafür allen Beteiligten herzlichen Dank!

Die Grüne Fraktion stimmt dem Haushalt, der nach langem Ringen und vielen Sitzungen zustande gekommen ist, zu, auch wenn wir nicht in allen Punkten zufrieden sind, und wünscht allen Anwesenden schöne Weihnachten.

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