Stellungnahme zur Wiedereröffnung der Brauchwasserentnahmestellen in neun Ortsteilen von Sinsheim

Kurz zur Vorgeschichte: Die Wasserstellen wurden seit Jahren genutzt, um dort
für alle möglichen Gelegenheiten umsonst Wasser zu zapfen – auch im großen
Stil. Lt. einiger dort Wohnenden entstand hier ein richtiger Wasser-Tourismus
von überall her. In den richtig schlimmen Dürre-Jahren wurden diese
Wasserstellen dann durch das Landratsamt geschlossen, da es einfach nicht
mehr vertretbar war. Seit dem wurden die dortigen Ortsvorsteher immer wieder
bedrängt, doch endlich diese Entnahmestellen wieder zu öffnen. Das war in der
heutigen Gemeinderatssitzung auf der Tagesordnung.


Hier ist unsere Stellungnahme dazu:
Ja, natürlich befürworten wir sehr, dass das neue Konstrukt mit Wasseruhren,
Schlüssel und einer Berechtigten-Liste gegenüber der alten unkontrollierten
Entnahme deutlich fairer ist. Es wird damit hoffentlich keine illegale Entnahme
und keinen Wasser-Tourismus mehr geben. Und es wird darauf vertraut, dass
das Wasserwirtschaftsamt umgehend reagiert, sollte es aufgrund der
Grundwasserstände erforderlich sein. Aber es gibt eben auch andere Aspekte,
die es bei einer Entscheidung zu berücksichtigen gilt:

Was erschaffen wir damit für ein Bürokratie-Monster?
Monatliche Erfassung pro Wasserstelle, Buch führen und kontrollieren, jeder
Nutzer muss seine Entgelterklärung rechtzeitig abgeben, keine Überschreitung
der Gesamtmengen, sonst … Die Kosten für die personellen Aufwände aller
Entnahmestellen für Wartung, Säuberung, Ablesung und Meldung sind noch
nicht mal beziffert und enthalten in unserer Beschlussvorlage. Und wer macht
das: die Ortsvorsteher?

Ist das ein gerechtes System?
Bürokratie ist sinnvoll, wenn sie zu deutlich verbesserter Gerechtigkeit führt.
Aber wem kommen die Entnahmestellen zugute? Einer Hand voll Kleingärtnern
und einer Handvoll Landwirten? Wenn wir Glück haben, vielleicht 1% der
Sinsheimer Bevölkerung. Was machen die anderen? Was ist, wenn ich einen
Kleingarten in Rohrbach, Reihen oder Steinsfurt habe? Ich schaue in die Röhre.
Was ist, wenn ich als Landwirt Wasser in der brauche? Ich schaue in die Röhre.
Eine Wiedereröffnung würde keine Gerechtigkeit schaffen – weder zwischen den
Stadtteilen mit ganz unterschiedlichen Entnahmemengen noch gegenüber
denjenigen Stadtteilen und auch der Kernstadt, die über keinerlei
Entnahmemöglichkeiten außer ihres eigenen Wasserhahns verfügen. Diese
Ungleichheiten sind nicht akzeptabel und widersprechen dem Prinzip der
Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger.

Aber der wichtigste Punkt: Wo bleibt Nachhaltigkeit und
Grundwasserschutz?

Wasser ist ein sehr kostbares Gut und wird es zukünftig noch viel mehr sein!
Angesichts der immer wieder auftretenden Dürren müssen wir besonders
achtsam mit unseren Wasserressourcen umgehen. Und zwar alle gemeinsam.
Wie können wir es da kostenlos ausgeben? Etliche Male haben wir in den
vergangenen Jahren in den Gemeinderatssitzungen über die dramatischen
Grundwasserspiegel diskutiert. Jede zusätzliche Entnahmestelle verringert den
vorsorgenden Schutz von Grundwasser. Auch auf Quellen wirkt sich eine
zusätzliche Entnahme negativ aus, was wir wieder in unseren Flüssen und
Bächen zu spüren bekommen. Und selbst wenn die Entnahmestellen in
Trockenphasen offiziell geschlossen würden, wurde dem Grundwasserspiegel
durch den Betrieb der Entnahmestellen ja schon langfristig Wasser entzogen –
ein Eingriff, der in Zeiten zunehmender Wasserknappheit nicht zu rechtfertigen
ist. Regen braucht je nach Beschaffenheit des Bodens zwischen 6 Monaten bis
zu 5 Jahren, bis es im Grundwasser landet. Eine große Menge unseres
Trinkwassers kommt jetzt schon aus dem Bodensee. Und das nicht, weil das
Bodensee-Wasser besonders günstig ist, sondern weil wir selbst nicht genügend
haben und erst recht nicht in Zukunft haben werden. Wie sind dann
Entnahmestellen für ein paar Wenige vertretbar?
Natürlich ist es immer schwierig, etwas historisch Gewachsenen, also eine Art
Gewohnheitsrecht, abzuschneiden. Aber wir könnten auch mutig sein und
einem übersteigerten Anspruchsdenken in der Gesellschaft gegenübertreten.
Gerade beim Thema „Wasser“ ist das einfach nicht mehr zeitgemäß. Es ist
unsere Aufgabe, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich nachhaltig zu
handeln und dabei die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger gerecht zu
berücksichtigen.
Wir sehen die Verbesserungen, wir sehen aber auch die Fehlanreize und
negativen Auswirkungen. Deshalb werden wir uns mehrheitlich enthalten.

Anja Fürstenberger, 29.01.2025

Verwandte Artikel