Die letzte Sitzung des Gemeinderats mit Verabschiedung der Haushaltssatzung findet traditionell jedes Jahr in einem anderen Teilort statt, dieses Jahr in Hasselbach. Neben den Haushaltsreden der im Gemeinderat vertretenen Parteien, Wählervereinigungen und Bürgervereinen, wird der Haushaltsentwurf vom Kämmerer für die Öffentlichkeit erläutert, Dezernent Schutz erläuterte als Krankheitsvertretung den Wirtschaftsplan der Stadtwerke. Die Rede zum Haushaltsentwurf der Grünen im Gemeinderat Sinsheim ist unten angefügt.
Zu Beginn gab OB Albrecht bekannt, dass Sinsheim aufgrund des Ergebnisses des Zensus (Einwohnerzahl unter 35.000), künftig nur noch mit einem Sitz in der Kreisverbandsversammlung vertreten ist. Dieser Sitz steht dem Oberbürgermeister zu. Die aktuelle Viertelstunde für Einwohnerinnen und Einwohner wurde gut genutz. So wurde wegen dem extem schlechten Handyempfang und der sehr schlechten Internetverbindung in Hasselbach nachgefragt. OB Albrecht bestätigte, beim Thema Handy sei man dran. Das vom Rhein-Neckar-Kreis initiierte Glasfasernetz würde aber noch dauern. Die Frage, warum Sinsheim kein Mitglied im Landschaftserhaltungsverband sei, wurde damit beantwortet, dass dies bereits für das erste Halbjahr 2014 auf der Tagesordnung des Gemeinderats stehe. Die kritische Nachfrage zu Grabsteinen aus Kinderhand wurde bereits von Ratsmitgliedern bei den Haushaltsberatungen geäussert. Hier ist eine entsprechene Änderung der Satzung geplant.
Sonderbarer Weise hat niemand einen Gagg zur Verabschiedung des Haushalts an einem Freitag den 13. gebracht. Scheinbar ist sowohl in der Verwaltung wie auch im Gemeinderat niemand abergläubisch. Und das ist gut so.
Hier zur Haushaltsrede (Entwurf, es gilt das gesprochene Wort; Anmerkungen teilweise in den Entwurf eingearbeitet):
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Albrecht,
sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren!
Als letzter Redner zum Entwurf der Haushaltssatzung für das Jahr 2014 kann und will ich es mir erlauben – nach dem bereits ausreichend genannten und erläuterten finanziellen Gerüst – an dieser Stelle weg von den Zahlen zu gehen.
Wir schaffen mit dem Haushalt nicht nur den finanziellen, sondern auch einen zeitlich begrenzten Rahmen für die Entwicklung unserer Kommune, für Mensch und Umwelt. Aber wir sollten nicht nur an die heute zu beschließende Haushaltssatzung denken, sondern möglichst weit in die Zukunft blicken. Ideen entwickeln, diese den Bedürfnissen von Zeit zu Zeit anpassen, inne halten, überdenken und erneut diskutieren. Wir müssen künftig viel intensiver Konzepte entwickeln, diese besser ausarbeiten und langfristig sowie zielstrebig verfolgen.
Manches ist inzwischen auf den Weg gebracht, wenn auch eigentlich um viele Jahre verspätet oder nicht konsequent zu Ende gedacht.
So investiert man zwar Zeit und Geld in die Tourismusförderung, denkt aber beispielsweise, auf öffentliche Toiletten verzichten zu können (z.B. ist auch die Toilette am Bahnhof Sinsheim nicht rund um die Uhr zugänglich). Man denke an dieser Stelle auch an die angestoßene Gestaltungssatzung: Um viele Jahre zu spät und wir sollten dabei zumindest die Teilorte mit bearbeiten, die von starkem Durchgangsverkehr betroffen und somit für Werbemaßnahmen attraktiv sind. Beim Thema Verkehr sind wir schon bei einem noch zu erarbeitenden Lärmaktionsplan, hier wird sich in naher Zukunft zeigen, welche Maßnahmen notwendig, sinnvoll, wünschenswert und/oder realisierbar sind. Im direkten Zusammenhang wäre auch ein Verkehrskonzept für die Gesamtstadt dringend notwendig, um die Belastungen durch den Individualverkehr zu reduzieren, die Nutzung der Verkehrswege durch Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV zu attraktivieren. Erfreulich ist hier die unmittelbar bevorstehende Anbindung an die Stadtbahn Nord, an Heilbronn. Auch ein Klimaschutzkonzept muss dringendst entwickelt und umgesetzt werden!
Der durch den kommunalen Haushalt gesteckte Rahmen muss aber nicht zwangsweise zu größeren Veränderungen führen, so manches Mal wäre schon die Erhaltung des Status Quo wünschenswert. Der fortschreitende Flächenverbrauch bei etwa stagnierenden Einwohnerzahlen (und die fortgeschriebene Einwohnerzahl wurde durch den aktuellen Zensus gar nach unten korrigiert) ist nicht nur nicht mehr zeitgemäß, sondern kommenden Generationen gegenüber genauso unverantwortlich, wie der mangelnde Umwelt- und Naturschutz. Hier wäre der Erhalt des Status Quo gar zu wenig, man müsste weit größere Renaturierungsmaßnahmen anstrengen. Dies würde zum Teil erhebliche Kosten beispielsweise bei Hochwasserschutzmaßnahmen durch natürliche oder naturnahe Überflutungsflächen einsparen. Der fortschreitende Flächenverbrauch bindet nicht nur Finanzmittel – Herr Landwehr hatte bei seinen Ausführungen zu den Investitionsschwerpunkten bereits die Zahl von 27% für Grunderwerb und Erschließung genannt – absolute Priorität muss die Schließung der Baulücken und innerörtliche Nachverdichtung haben. Hier bedarf es weit größere Anstrengungen. Es kann nicht angehen, dass die Anzahl neu entstehender Bauplätze teilweise der Anzahl der Baulücken am Ort entsprechen. Zu den Ausführungen des Kollegen Zoller und dem Antrag der CDU, jeder Teilort müsse neue Bauflächen zur Verfügung stellen können: Sonderbar, dass man von solch einem Antrag noch nie gehört hat, geschweige denn darüber abgestimmt wurde. Und auch OB Albrecht hatte sich zumindest noch im Wahlkampf sehr kritisch gegenüber dem Flächenverbrauch geäußert. Das vom Kollegen Gmelin (Freie Wähler) genannte Positivbeispiel „Alter Sportplatz Rohrbach“ halten wir für ungeeignet. Hier handelt es sich um eine Fläche am Randbereich, also keine innerörtliche Nachverdichtung wie gerne behauptet. Desweiteren ist es fragwürdig, wenn der Sportplatz aus Lärmgründen von der Besiedlung weggerückt wurde, jetzt rückt man mit der Besiedlung wieder zum neuen Sportplatz nach…
Manchmal ist aber nicht nur die Zielsetzung, wohin man sich entwickeln will, wichtig; auch die Rückbesinnung darauf, woher wir uns entwickelt haben, kann notwendig sein. Demokratie lebt von Beteiligung. Und wenn wir uns vor Augen halten, welch außerordentliche Rolle Sinsheim in der Badischen Revolution gespielt hat, sollten wir auch heute noch nicht nur froh, sondern stolz auf den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung sein. Hier sind wir nach Druck innerhalb des Gemeinderats und Druck von außen (hauptsächlich wachgerüttelt durch das erste Bürgerbegehren in der Geschichte der Stadt) bereits auf einem guten aber noch langen Weg. Ein erster Schritt in die richtige Richtung war, unseren Bürgerinnen und Bürgern zu gestatten, sich in der aktuellen Viertelstunde zu Beginn der Gemeinderatssitzungen endlich auch zu Tagesordnungspunkten äußern zu dürfen. Inzwischen gibt es durch das Bürgerinformationssystem auch die Möglichkeit, vorab die öffentlichen Sitzungsunterlagen einzusehen. Information und Transparenz sind wichtige Grundlagen für eine Beteiligung. Und es ist gut, wenn vielen Menschen alle paar Jahre Kreuzchen auf Stimmzetteln verteilen nicht genug ist.
Ich sehe Bürgerbeteiligung als Chance, als Chance für uns alle. Für unsere Bürgerinnen und Bürger, für Verwaltung und Gemeinderat. Ich bin mir sicher, dass wir künftig nicht nur von einer weiter gefassten Pluralität der Meinungen profitieren.
Profitieren werden wir auch durch die eingebrachte Fachkenntnis unserer Bürgerinnen und Bürger. Durch Ideen, auf die im Gremium vielleicht niemand gekommen wäre; durch Argumente, an die vielleicht niemand gedacht hätte und die sich als die besseren erweisen können. Bürgerbeteiligung schafft letztendlich auch mehr Akzeptanz für die vom Gemeinderat getroffenen Entscheidungen.
Es stellt sich aber auch eine grundsätzliche Frage: Wollen wir, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger nur bei größeren oder strittigen Projekten beteiligen können und beteiligen sollen – oder denken wir über ganz neue Möglichkeiten nach? Es gibt Kommunen, die bereits das Experiment BügerInnenhaushalt gewagt haben. Ein guter Anfang wäre es, wenn man dies bei den Freiwilligkeitsleistungen oder in kleinen Teilbereichen ausprobiert. Ganz persönlich würde mich beispielsweise interessieren, welchen Schwerpunkt die SinsheimerInnen beim städtischen Forst setzen würden.
Muss oder soll die Stadt mit der Holznutzung Geld verdienen – oder ist den Menschen ein naturnaher Wald mit einer größeren Biodiversität mehr Wert? Braucht man dann die vielen Rückegassen oder will man lieber den Trimm-Dich-Pfad in Schuss bringen und den veralteten Forstlehrpfad durch einen Naturlehrpfad nach neuestem wissenschaftlichen Stand ersetzen? Will man Kinder durch attraktive Waldspielplätze öfter und näher an den Wald bringen?
Gemeinsam sind wir stärker. Wir sollten tunlichst vermeiden, den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung als Konkurrenz zum Gemeinderat zu sehen. Es ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung, eine Bereicherung; und durch Teamarbeit kann man mehr und auch schneller Erfolge erzielen.
Teamarbeit ist auch bei unserer Feuerwehr ein enorm wichtiger Punkt. Der Zusammenhalt ist wichtig. Und um den Gerüchten entgegen zu treten, einzelne Mitglieder des Gemeinderats seien in irgendeiner Form „gegen die Feuerwehr“: Das halte ich für billige Stimmungsmache in Zusammenhang mit den kommenden Kommunalwahlen und ich wage hier die Behauptung aufzustellen, dass kein einziges Mitglied des Gremiums „gegen die Feuerwehr“ ist. Ganz im Gegenteil. Wir alles wissen, wie notwendig eine funktionierende, engagierte und gut ausgerüstete Feuerwehr ist. (Auch wenn wir alle wahrscheinlich froh sind, die Hilfe der Feuerwehr nicht in Anspruch nehmen zu müssen – wer kommt schon gerne in solche Notlagen?). Aber es ist auch richtig und wichtig, bei unseren Feuerwehren nicht nur den Zeitrahmen der nächsten drei, vier Jahre oder nur die Mittel im aktuellen Haushaltsentwurf im Auge zu behalten. Mir ist wichtig, dass wir auch noch in zehn, zwanzig Jahren und darüber hinaus eine leistungsfähige Feuerwehr stellen können. Ob die Einnahmen der Stadt künftig sinken, steigen oder stagnieren – eines ist sicher: Die Ausgaben für die Feuerwehren werden eher steigen. Wenn man jetzt noch den demografischen Wandel berücksichtigt, finde ich es mehr als dringend geboten, über eine eventuell notwendige Umstrukturierung intensiv und ergebnisoffen zu diskutieren. Nicht um der Feuerwehr zu schaden, sondern sie langfristig zu stärken! Dazu muss man auch über die kommunalen Grenzen hinausdenken!
Natürlich wissen wir, dass sich die Feuerwehren auch in der Jugendarbeit engagieren. In manchem Teilort sogar mehr oder weniger als das Freizeitangebot ohne Konkurrenz. Investitionen in kostenlose oder -günstige Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche sollten bei Investitionen Vorrang vor (von vielen unserer BürgerInnen so empfundenen) Prestigeprojekten der jüngeren Vergangenheit haben. Jugendhaus, Skatepark und der neue Bikepark sind positive Beispiele und zentral gelegen – aber nicht für alle aus den Teilorten zugänglich (aufgrund des Alters mangelnde Mobilität).
Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, Ausgaben für nachhaltige und generationengerechte Projekte daher grundsätzlich richtig. Neben Freizeitangeboten betrifft das auch die Schulen. Sinsheims Schullandschaft ist weit über die kommunalen Grenzen hinaus bedeutend, doch die Entwicklung der SchülerInnenzahlen nicht nur hier am Ort zeigt deutlich: Es besteht auch in Sinsheim akuter Handlungsbedarf. Wir müssen ganz dringend und sehr zeitnah ein Schulkonzept für die Gesamtstadt entwickeln! Hier hat Sinsheim im Gegensatz zu den umliegenden Gemeinden weniger das Problem, Schulen zu erhalten – sondern vorrangig sollte dies aufgrund des pädagogischen Konzepts realisiert werden. Und nein, liebe CDU, die Gemeinschaftsschule wird nicht von oben durchgedrückt, sondern soll sich von unten entwickeln!!
Zur Generationengerechtigkeit gehört auch ein Abbau der Schulden. Ein harter Konsolidierungskurs darf dabei jedoch dringend notwendige Investitionen nicht verhindern. Hier muss mit Augenmaß abgewogen werden, was für die Zukunft notwendig ist oder was eventuell nur dem Zeitgeist entspricht.
Der Haushalt ist solide finanziert, Kritik an einzelnen Punkten wird bei fälligen Beschlüssen allerdings zu Gegenstimmen führen!
Zur vom Kollegen Zoller erwähnten Hundesteuer: Der vorgegebene Sinn ist laut Satzung, die Anzahl der gehaltenen Tiere einzudämmen, zu regulieren. Gleichzeitig fördert man mit Vergünstigungen die Zucht. Richtig wäre, diese Vergünstigungen für die Zucht (Zwingersteuer) zu beenden, dafür eine Befreiung von der Hundesteuer auf Antrag für Tiere zuzulassen, die nachweislich aus dem Tierschutz stammen. Dies wäre ein enormer Beitrag für den Tierschutz.
Wenn wir es schaffen, gemeinsam mit unseren engagierten BürgerInnen an einem toleranterem, solidarischerem und menschlicherem Sinsheim zu arbeiten, dann bin ich für die Zukunft unserer Stadt sehr zuversichtlich und auch die zunehmenden Versuche von Rechtsextremisten in unserer Stadt Fuß zu fassen, werden dann ins Leere laufen (diese faseln im Internet bereits wirres Zeug von der „Machtergreifung“ in Sinsheim).
Selbstverständlich hat sich in den Diskussionen zum Haushaltsentwurf 2014 wieder gezeigt, dass die Meinungen an einigen Punkten teilweise weit auseinander gehen und kein Konsens möglich ist. In der Regel wurde aber im gesamten Jahr – auch bei emotional besetzten Themen – sehr sachlich diskutiert und argumentiert. Und für diese gute Arbeitsebene und Zusammenarbeit möchte ich mich nicht nur bei der gesamten Verwaltung, sondern auch bei allen RatskollegInnen bedanken.
Ich wünsche Ihnen allen und Ihren Angehörigen besinnliche Feiertage!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Stefan Seitz
Stadtrat Bündnis 90/Die Grünen“
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