Unser Stadtkämmerer, Herr Landwehr, führte uns die aktuelle finanzielle Situation von Sinsheim auf drastische Art vor Augen. Man kann es mit zwei Worten beschreiben: „Dramatisch sparen“ ist angesagt. Und das ganz sicher nicht nur in 2020.
Deshalb: Für welche Projekte soll Sinsheim die nächsten Jahre Geld ausgeben? Was ist im Sinne unserer Grünen-Wähler*innen? Immense Ausgaben für den dringend benötigten Feuerwehr-Neubau und die Sanierung der Kraichgau-Realschule stehen an und werden viele Millionen verschlingen. So viele Sinsheimer*innen wünschen sich mehr und sicherere Radwege, die schon lange auf sich warten lassen. Es fehlen dringend Kindergartenplätze und vieles mehr. Und jetzt neu aufgenommene Schulden müssen auch irgendwann zurückgezahlt werden!
Aus diesen und anderen Gründen haben wir uns entschieden, eine Streichung der Planungskosten für die folgenden beiden Großprojekte zu beantragen. Ja, die eingestellten Beträge sind verhältnismäßig klein. Aber aus einer Planung würde irgendwann Realisierung werden.
Straßenprojekt: Nordanbindung
Hierunter wird ein zusätzlicher Anschluss der Wilhelmstraße (Ortsausgang Richtung Waibstadt) an die B292 in Richtung Dühren verstanden. Dazu soll nach bisheriger Idee ab dem letzten Kreisel der Weg direkt neben dem Schulzentrum (Richtung Krebsgrund) zu einer breiten Straße ausgebaut und beiderseits mit Rampen zum Anschluss für die Auf- und Abfahrt versehen werden. Vorgeblich ist dies der Schlüssel zur Vermeidung des Verkehrskollapses in Sinsheim. Weiteres Argument: Nur mit einer Nordanbindung könnte die Hauptstraßen-Fußgängerzone realisiert werden.
Unsere Entscheidung: Wir Grüne kämpfen dafür, dass dieser Anschluss mit den beiden Rampen nicht gebaut wird.
Warum? Viele Argumente sprechen gegen diese Variante der Nordanbindung.
Es wäre ein immenser Flächen- und Ressourcenverbrauch. Mehrere Millionen Euro müssten hierfür ausgegeben werden. Geld, das für marode Brücken oder Ortsstraßen dringend gebraucht wird. Geld, das für die Umsetzung eines Radwegekonzepts oder soziale Themen ganz sicher fehlen würde. Das Projekt rückt angesichts der aktuellen Finanzlage zudem wohl in die ferne Zukunft. Und wie verändert sich die Mobilität in den nächsten 10 bis 20 Jahren? Die Dominanz des Automobils erodiert – besonders bei den jungen Menschen. Selbst in Sinsheim werden die verfügbaren Radwege voller und voller. Nicht erst seit Corona. Und dann in diesem dramatischen Jahr Geld für eine Planung ausgeben, die höchstwahrscheinlich für mehrere Jahre in der Schublade verschwinden wird? Dem wollten wir nicht zustimmen. Dafür habt Ihr uns nicht gewählt!
Fußgängerzone: Wollen wir nur an die Bewohner*innen und Flaneure der Sinsheimer Hauptstraße denken? Was ist mit allen Anderen, durch deren Straßen viel zu viel Verkehr rauscht? Ist es eine gute Idee, den Verkehr an Schulzentrum und neu gebautem Integrationskindergarten vorbei zu führen? Wünschen wir uns nicht überall eine Reduzierung von Lärm, Abgasen und Platzverbrauch? Was ist mit der Natur? Den Ressourcen im Allgemeinen? Dem Geld, das an anderer Stelle fehlt?
Zudem könnte man erneut über Alternativen – wie z.B. einen Kreisel beim Abzweig AVR/Daisbach – diskutieren. Umweg für ein Auto: gerade mal 3 Minuten, um von Dühren kommend bei der AVR den Kreisel zu umrunden und dann Richtung Innenstadt/Berufsschulzentrum abzubiegen. Wohlgemerkt unter Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h 😊
Nicht nur in Großstädten kann man die Verkehrspolitik mutig in die Zukunft ausrichten, sondern auch in Sinsheim!
Leider haben unsere Argumente die anderen Fraktionen nicht überzeugt. Der Antrag wurde abgelehnt und die angesetzten Planungskosten für dieses Jahr bewilligt. Das Projekt wird weiterverfolgt.
Bahnüberführung Hoffenheim
Der Straßenverkehr soll im Bereich der Eschelbacher Straße in einer großen Kurve über die Bahngleise geführt werden. D.h. hier soll eine Auf- und Abfahrt mit Brücke entstehen, um dem Autoverkehr die geschlossenen Schranken zu ersparen. Ein unglaubliches Bauwerk für ein Dorf, Hoffenheims Charakter würde nachhaltig verändert! Es ist richtig, dass durch eine geänderte Kostenaufteilung im Eisenbahnkreuzungsgesetz ein relativ großer Teil der Kosten durch Fördergelder abgedeckt wäre. Aber ist es nicht trotzdem unser aller Steuergeld, das hier ausgegeben wird? Zumal immer noch eine sehr große Summe an Sinsheim hängenbleiben würde. Geld, das im Moment anderswo gebraucht wird. Außerdem gibt es noch ganz andere Argumente, die hier abzuwägen sind.
Unsere Entscheidung: Auch hier haben wir uns entschieden, gegen eine weitere Planung zu stimmen und einen entsprechenden Antrag gestellt, die Planungskosten für 2020 zu streichen.
Argumente für einen solchen Bau sind immer ‚nicht durchkommende Rettungswagen‘ oder ‚ein Einsatz der Feuerwehr‘. Entlang der S-Bahn-Linie zwischen Eppingen und Heidelberg gibt es viele Orte, die weder Über- noch Unterführung für Autos haben. Zudem sind die Gründe für ein verspätetes Eintreffen von Rettungskräften vielfältig. Es können auch zugeparkte Straßen schuld sein oder zu viel Verkehr in der Sinsheimer Innenstadt.
Gemessen werden Schrankenschließzeiten von bis zu 7 Minuten. Es ist richtig: die Schranke muss schon unten sein, wenn der Zug einfährt… für den Fall, dass er nicht mehr bremsen kann. Aber an vergleichbar angeordneten Bahnsteigen ergibt dies Schrankenschließzeiten von 2-3 Minuten. Uns wäre es wichtig, dies nochmal bei der DB zu hinterfragen. Auch könnte kommende neue Technik (Züge, Signale, Digitalisierung) Abhilfe schaffen.
Ein weiteres Argument ist, dass sich der Verkehr teilweise bis zur Hoffenheimer Durchgangsstraße zurückstaut, was nicht akzeptabel und ein Sicherheitsrisiko ist. Viele Autofahrer*innen nutzen jedoch die Fahrt über die Dörfer oft als Ausweichroute, um der vollen oder Stau-lastigen Autobahn zu entgehen. Aber alle Umfahrenden müssen auch durch Eschelbach und Angelbachtal. Freuen die sich darüber? Jedes Dorf erstickt im Autoverkehr.
Leider wurde auch dieser Antrag von den anderen Fraktionen abgelehnt und die angesetzten Planungskosten für dieses Jahr bewilligt. Das Projekt wird weiterverfolgt.
Fazit zu diesen beiden Straßenbau-Projekten:
Überall gibt es Staus und Sicherheitsrisiken, weil die Straßen die immense Anzahl der Autos nicht aufnehmen können. Sowohl fahrend als auch stehend. Aber ist es deshalb sinnvoll, immer weiter augenscheinliche „Nadelöhre“ zu beseitigen, um an anderen Stellen wieder neue aufzutun… diese wieder beseitigen zu wollen usw.?
Jede Stadt, jedes Dorf hat Platzmangel. Wir bräuchten Platz für mehr Wohnraum, für mehr Fahrradwege, für mehr Begegnung. Und wir können weder der Landwirtschaft noch der Natur endlos Fläche entziehen. Erhebliche Ressourcen werden für solche Straßenbau-Projekte verbraucht. Deshalb lasst uns weiter in Richtung „Ökologische Mobilitätswende“ entscheiden!
Sehr erfreulich: Projekt „Mobile Jugendarbeit“ geht weiter!
Und zum Abschluss noch eine sehr gute Nachricht:
Das seit 3 Jahren laufende „JuMo“ Projekt geht weiter. Hier hat der Gemeinderat in der Sitzung mit recht knapper Mehrheit für die Weiterführung gestimmt – natürlich mit geschlossener Grüner Ja-Stimme! Hierüber sind wir besonders glücklich, denn es war keine Selbstverständlichkeit bei der angespannten Haushaltslage. Ein Stopp wäre wirklich sehr traurig gewesen. Man kann mit viel Engagement erkämpfte Vertrauensbeziehungen zu jungen Menschen nicht einfach so auf Eis legen, um dann irgendwann einmal weiterzumachen, wenn die Finanzen es wieder zulassen. Die Entscheidung ist eine eindeutige soziale Investition in Sinsheims Zukunft und sehr nachhaltig getroffen! Denn für uns steht fest: kein junger Mensch darf auf der Strecke bleiben. Dafür sollten wir so viel wie möglich tun.
Danke an alle, die das mit möglich gemacht haben!
Anja Fürstenberger
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